dvb-Script

dvb-Script 2/2024 -Monographie

Der Hunger nach Sinn. Entwurf eines Beratungskonzeptes zur Analyse und Steigerung des beruflichen Sinnerlebens von Erwerbstätigen

– Preisgekrönte Arbeit im Rahmen des Josephine-Levy-Rathenau-Preises 2024 –

Sandra M. Haunstetter, Georg Simon Ohm Hochschule, Nürnberg

URN: urn:nbn:de:101:1-2410271333217.939712885487

Aus der Laudatio

Prof. Dr. Ingo Blaich, Vorsitzender der Auswahljury zum JLR-Preis

Zentrales Ziel  der preisgekrönten Arbeit, war es, ein „ganzheitliches, sinnzentriertes und wissenschaftlich fundiertes Beratungskonzept zu entwickeln“, durch das „Menschen dabei unterstützt werden [können], individuelle Sinnressourcen aufzudecken und ihr berufliches Sinnerleben durch wertebezogenes Handeln nachhaltig zu erhöhen“ (S. 4). Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, an welchen Stellschrauben angesetzt werden kann, um berufliches Sinnerleben zu entwickeln oder zu steigern und inwieweit Beratung hierbei unterstützend wirken kann.

In einem ersten Schritt erfolgt eine sehr gründliche  Auseinandersetzung mit  der Grundlagenliteratur sowie vorliegenden empirischen Studien zum Thema „Sinnerleben“ im beruflichen Kontext. Hier werden durch die Autorin Traditionslinien z.B. von Viktor Frankls Logotherapie und Existenzanalyse aufgegriffen und mit der aktuell sehr einflussreichen Glücks- bzw. Sinnforschung von Tatjana Schnell verknüpft. So wird deutlich, dass Sinnerleben im Beruf kein „nice to have“ ist, sondern sich positiv auf die Arbeitsproduktivität, das Arbeitsklima, Bindung an den Arbeitgeber, Reduzierung gesundheitsbedingter Ausfallzeiten und natürlich allgemeine Lebenszufriedenheit auswirkt. Eine besondere Stärke der Arbeit besteht in der gut strukturierten Zusammenfassung der relevanten Befunde zu den möglichen Quellen von Sinnerleben in der Arbeitswelt und ihre Verknüpfung mit den schon angesprochenen psychologischen Theorien. So wird ein empirisch gut begründetes, allgemeines Handlungsmodell entworfen, welches für die biografische Lebensgestaltung insgesamt und für die berufliche Entwicklung insbesondere fruchtbar gemacht werden kann.

Entsprechend wird im zweiten Teil der Arbeit daran angeknüpft, und ein Konzeptentwurf für Beratung oder Coaching entwickelt. Elegant werden Elemente klientenzentrierter und systemischer Beratung miteinander verwoben, und auf die Identifikation von Sinnerleben, individuellen Werten und Zielen und mögliche Veränderungsschritte beim Ratsuchenden ausgerichtet. Im weiteren Verlauf entfaltet die Arbeit ein Prozessmodell, welches direkt als Handlungsanleitung für BeraterInnen und Coaches genutzt werden kann.

Die preiswürdige Arbeit greift mit der Frage nach dem Sinn in der Erwerbsarbeit ein hochaktuelles Thema auf, welches in den Medien oft als typisch für die junge Generation Z ausgewiesen wird. Dieser verkürzten und nicht selten auch negativ konnotierten Sichtweise hält die Arbeit theoretisch und empirisch gut fundiert die vielfältigen positiven Auswirkungen von sinnerfülltem Handeln und Arbeiten von Menschen entgegen. Als Zielgruppe werden zwar ArbeitnehmerInnen adressiert, die sich bereits im Berufsleben aber aktuell in einer beruflichen Sinnkrise befinden. Indem jedoch das Sinnerleben ins Zentrum gerückt wird, erweisen sich die Ausführungen wie auch die Beratungskonzeption als hochgradig anschlussfähig bspw. in den Bereich der Beruflichen Orientierung von Schülerinnen und Schülern. Denn auch in zeitgenössischen Berufswahltheorien steht die Frage nach der Zufriedenheit, der Verwirklichung individueller Werte und Ziele in der Erwerbsarbeit und damit das (potenzielle) Sinnerleben im Mittelpunkt – als Beispiel sei hier die Life Design Theorie von Mark Savickas in Anschluss an die klassische Theorie von Donald Super genannt. „Sinnerleben“ wird durch die Arbeit als eine  zentrale Kategorie für die künftige berufliche Beratung stark gemacht. Hierzu liefert die Arbeit eine sehr gut nachvollziehbare und nützliche Theorie- und Begriffsarbeit sowie einen leicht in die Praxis transferierbaren Konzeptvorschlag für berufliche Beratung/berufliches Coaching. Diese hohe Praxisrelevanz zeichnet die Arbeit in sehr hohem Maße aus und gibt für das Beratungshandeln, durch die Konzentration auf das subjektive Sinnerleben der Ratsuchenden, konkrete Leitlinien vor.

Abstract

Das individuelle Bewusstsein und die Erfahrung, dass das Leben einen Sinn besitzt, ist eine wichtige Variable für die allgemeine psychische sowie körperliche Gesundheit eines Menschen (Schnell, 2020, S. 168; Tausch, 2011, S. 79). Der Aufbruch allgemeingültiger Werte, Normen und Traditionen sowie die zunehmende Komplexität der heutigen Multioptionsgesellschaft machen es jedoch schwerer, Sinn im eigenen Handeln zu erfahren (Frankl, 2005b; Gross, 1994).
Gegenstand der vorliegenden Masterarbeit ist die Frage, inwieweit ein Individuum mittels Beratung dabei unterstützt werden kann, seine erlebte Sinnhaftigkeit zu erhöhen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Erwerbsarbeit als zentrale Sinnquelle. Die Auswertung relevanter Theorien und Forschungsergebnisse kommt zu dem Ergebnis, dass Beratung grundsätzlich ein geeignetes Tool zur Steigerung des beruflichen Sinnerlebens ist. Darauf aufbauend wurde ein theoriegestütztes und sinnzentriertes Beratungskonzept zur Analyse und Erhöhung des subjektiven Erlebens von Sinn im Berufskontext entworfen.
Auf Basis der Literaturrecherche ist davon auszugehen, dass die Durchführung des Konzeptentwurfes einen Zugang zum individuellen Sinnerleben einer Person ermöglicht, indem individuelle Sinnressourcen identifiziert und wertebezogenes Handeln anvisiert wird. In der weiteren Forschung gilt es, das Beratungskonzept praktisch zu erproben, um valide Ergebnisse hinsichtlich seiner Wirksamkeit zu erhalten. Neben der praktischen Durchführung ist es denkbar, das Beratungskonzept durch Gruppentrainings zu ergänzen sowie hinsichtlich zielgruppenspezifischer Notwendigkeiten anzupassen.

dvb-Script 1/2024 – Monographie

Die Anfänge der Berufsberatung vor über hundert Jahren

Wolfgang Braun, Dipl.-Psychologe, ehem. Leiter der Berufsberatung in der Agentur für Arbeit München

URN: urn:nbn:de:101:1-2406201317183.129871644140

Abstract

Der Verfasser, Psychologe und ehemaliger Leiter eines Berufsberatungsteams, untersucht in dieser Abhandlung die Entwicklung der Berufsberatung und ihre historische Bedeutung zwischen 1900 und 1927. Das Buch zeichnet die Geschichte von den Anfängen bis zu dem Beginn der Verstaatlichung und Professionalisierung in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, als Berufsberatung zur öffentlichen Aufgabe erklärt und schließlich 1927 in die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung integriert wurde. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den Vorgängen in München.

Die Notwendigkeit einer organisierten Berufsberatung war um 1900 aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen wie der Industrialisierung entstanden. Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden zahlreiche private und gemeinnützige Initiativen zur Berufswahlunterstützung. Wegweisende Projekte waren die Berufsberatung des Bundes Deutscher Frauenvereine, die sich zunächst schwerpunktmäßig auf Frauen und Mädchen konzentrierten, und das Münchner Modell der kooperativen Lehrstellenvermittlung. Die Notwendigkeit einer staatlich organisierten Berufsberatung verstärkte sich sehr, als Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene des Ersten Weltkriegs in den Arbeitsmarkt integriert werden mussten.

Es wird festgestellt, dass der Begriff der Berufsberatung seit jeher uneinheitlich definiert ist. Außerdem wird deutlich, dass aktuelle Themen schon seit über hundert Jahren diskutiert werden, wie zum Beispiel die Frage, ob Berufsberatung und Arbeitsvermittlung in einer Hand liegen oder sogar bei einer staatlichen Organisation wie der Arbeitsverwaltung verortet sein sollten. Aufschlussreich ist zudem, dass es bereits zu diesem frühen Zeitpunkt wissenschaftliche Einflüsse aus Medizin, Psychologie und Pädagogik gab.

Das Buch versteht sich nicht als eine wissenschaftliche Darstellung, befolgt jedoch Zitationsregeln. Durch zahlreiche wörtliche Zitate aus Primärquellen (v. a. zeitgenössischen Veröffentlichungen) entsteht eine Zusammenschau der Entwicklungen und Diskussionen, die für Interessierte lohnend ist und Forschenden als Ausgangspunkt für weitere Erkundungen dienen kann.

dvb-Script 1/2023 -Monographie

Ältere Fachkräfte länger im Unternehmen halten

– Preisgekrönte Arbeit im Rahmen des Josephine-Levy-Rathenau-Preises 2023 –

Barbara M. Bell, Universität Krems, Zentrum für professionelle Kompetenz- und Organisationsentwicklung 

URN: urn:nbn:de:101:1-2023060816520605772113

Aus der Laudatio

Dr. Ingo Blaich, Vorsitzender der Auswahljury zum JLR-Preis

Vermutlich werden viele von Ihnen Artikel kennen, die vornehmlich in der Wirtschaftspresse aber auch in manch fachwissenschaftlicher Zeitschrift regelmäßig erscheinen, und in denen die Arbeitsmotivation der Generation Z – also der jetzt auf den Arbeitsmarkt strömenden jungen Erwachsenen und ihre – eher mangelnde – Leistungsbereitschaft bzw. der Unwille, Führungsverantwortung zu übernehmen, ausgeleuchtet und die Konsequenzen beschrieben werden, die sich für Arbeitgeber daraus ergeben. In diesem, manchmal Unheil witternden, manchmal Unmut bekundenden Kreisen über die Motivationslage der Jugend kommt deutlich die Sorge bezüglich der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit zum Ausdruck angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels– sicher eine der größten Herausforderungen, vor welcher die europäischen Volkswirtschaften gegenwärtig stehen.

Die Masterarbeit, die in diesem Jahr mit dem Josephine-Levy-Rathenau-Preis ausgezeichnet wird, hat mit der Generation Z überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil, mit ihr wird deutlich, dass eine vergleichbare, öffentliche Diskussion über die Arbeits- und Leistungsmotivation und eine spezifische Work-Life-Balance älterer, sich dem Renteneintritt nähernder Arbeitnehmer – zumindest meiner Beobachtung nach – nicht stattfindet. Hier können wir eher hitzige Debatten über eine weitere Anhebung des gesetzlichen Rentenalters bis 70 Jahren oder höher beobachten bzw. die Frage, wie realistisch derartige Vorhaben sind angesichts eines durchschnittlichen realen Renteneintrittsalters von rund 64 Jahren.

Die auszuzeichnende Arbeit rückt die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und den Erhalt ihrer Arbeitsbefähigung und Arbeitsmotivation in den Mittelpunkt und fragt danach, inwiefern Unternehmen sich hier aktiv bemühen, diese Zielgruppe in Beschäftigung zu halten. Ältere Arbeitnehmer werden dabei nicht als Humankapitalressource zum Zweck ihrer Verwertbarkeit im Produktionsprozess aufgefasst, die um jeden Preis aktiviert und ausgeschöpft werden muss. Vielmehr bilden deren spezifische Bedürfnisse und Rahmenbedingungen das Bezugsproblem für eine sehr detaillierte, sprachlich klare und umfangreiche Untersuchung am Beispiel Österreichs, die keinen Vergleich mit einem fachwissenschaftlichen Handbuchartikel scheuen muss.

Interessanterweise – und hierin kommt bereits die hohe Praxisrelevanz der Arbeit zum Ausdruck – werden nicht Lebenslagen und Arbeitsmotivation älterer Arbeitnehmer einer Analyse unterzogen – gleichwohl dies natürlich auch relevant und interessant ist, wie die Autorin am Ende selbst hervorhebt – sondern das betriebliche Personalmanagement als Teil der Organisationsentwicklung, der Instrumentenkasten der Personalpsychologie zur innerbetrieblichen Personalentwicklung und des Wissensmanagements sowie Stereotype und Vorurteile, die sich vielfach mit älteren Arbeitnehmern verbinden.

Dabei werden mit dem Verständnis von Unternehmen als ‚lernende Organisationen‘ und einer berufs- und lebenszyklusorientierten Personalpolitik theoretische Ansätze aufgegriffen, die zwar nicht völlig neu sind, in diesem Feld jedoch bisher nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit gefunden haben. Denn sie erlauben es, Personalentwicklung und Unternehmensentwicklung dynamisch in Verknüpfung mit dem technologischen und gesellschaftlichen Wandel zu denken.

Die Arbeit besticht durch eine klar gegliederte und kritisch reflektierte Übersicht zum Phänomen Fachkräftemangel, den älteren Arbeitnehmern und den vielfältigen Maßnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten betrieblicher Personalpolitik. Zusätzlich angereichert wird diese Perspektive durch den Brückenschlag zur außerbetrieblichen Berufs- und Karriereberatung. Deren spezifische Bedeutung wird darin gesehen, dass sie ältere Arbeitnehmer in beruflichen Veränderungsprozessen begleitet und sie dadurch zu einer aktiven Gestaltung der eigenen Erwerbsbiografie auch in deren letzten Phase befähigt – etwas, was das Personalmanagement im Betrieb nur in Ansätzen leisten kann.

Durch die sehr fundierte und nahtlose Verflechtung der hier nur kurz angerissenen Themenkomplexe legt die Autorin eine umfassende und fundierte Analyse vor, die die disziplinären Grenzen überschreitet und – insbesondere aus Sicht betrieblicher Personalpolitik – das Verständnis der Herausforderungen erweitert, der sie bei der Bindung erfahrener Mitarbeiter gegenüberstehen.

Was die Arbeit nun besonders heraushebt, ist die äußerst gelungene Verknüpfung dieser theoretischen Bearbeitung mit einer empirischen Fallstudie. Die qualitative Befragung von Unternehmen in Vorarlberg bringt die forschungsmethodische Kompetenz der Preisträgerin sehr gut zum Ausdruck und ist in der Lage, durchaus überraschende Ergebnisse zu produzieren – nämlich, dass die befragten Unternehmer bisher ältere Arbeitnehmer nicht als spezifische Zielgruppe im Blick haben. Überraschend zumindest für mich als nicht ausgewiesenen Experten weder für diese Gruppe noch für das Personalmanagement in Vorarlberg; überraschend allerdings auch vor dem Hintergrund der im ersten Teil der Arbeit argumentativ so gut entfalteten Dringlichkeit dieses Themas für Arbeitgeber. Zwar versuchen alle Unternehmen flexibel auf individuelle Bedarfe ihrer Beschäftigten einzugehen, eine spezifische Ansprache, die z.B. auch die besondere Würdigung bisheriger Leistungen enthält, fehlt allerdings weitestgehend. Insofern stellen die Eckpunkte einer generationsspezifischen Personalarbeit, wie sie die Verfasserin im Fazit skizziert, interessante Anregungen dar, die sowohl in der betrieblichen Praxis als auch in weiteren Forschungsarbeiten aufgegriffen werden können.

Die Jury hat der innovative Zugang zum vielbeforschten Thema Fachkräftemangel, die fundierte, sprachlich elegante Darstellung der Bezugsthematiken inklusive ihrer kritischen Würdigung sowie deren Rückbindung an die empirische Fallstudie überzeugt, die sich zusätzlich als hoch praxisrelevant erweist und für die Bildungs- und Berufsberatung – wie auch für das Personalmanagement in Unternehmen – gut begründete, neue Perspektiven der Zusammenarbeit aufzeigt. Ohne in der Arbeit allzu viel Worte über die älteren Arbeitnehmer selbst zu verlieren, argumentiert die Verfasserin – eher implizit, aber unprätentiös und klar – in deren Sinne für beschäftigungsfördernde, wertschätzende und sinnstiftende Arbeitsbedingungen auch in der letzten Phase des Erwerbslebens.

Wir freuen uns sehr, diese Arbeit auszeichnen zu können. Der Josephine Levy-Rathenau-Preis geht in diesem Jahr nach Österreich an Frau Barbara Bell für ihre Masterarbeit mit dem Titel Ältere Fachkräfte länger im Unternehmen halten.

Abstract

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Von Seiten der Politik und der betroffenen Betriebe gibt es unzählige Bemühungen, dem Mangel entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit liegt im Erhalt der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitsmotivation älterer Fachkräfte. Die Sicht der Firmen auf diese Altersgruppe und deren Potenzial sowie die Betrachtung der getroffenen Maßnahmen ist Gegenstand dieser Master Thesis.

Am Beginn steht die Analyse der vorliegenden Daten zum Fachkräftemangel und zur demografischen Entwicklung, gefolgt von einem Blick auf die Zukunft der Arbeit insgesamt. Anschließend an die Personalentwicklung, deren Grundlagen und ihrem breiten Maßnahmenportfolio wird die Aufmerksamkeit auf die älteren Arbeitnehmenden, deren Bedürfnisse und mögliche vorhandenen Vorurteile ihnen gegenüber thematisiert. Folgende Forschungsfragen wurden formuliert:

«Liegt in der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitsmotivation älterer Arbeitnehmenden das Potenzial, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?» und «Welche Maßnahmen werden von Seiten der Unternehmen ergriffen, um ältere Arbeitnehmende länger im Betrieb zu halten?». Dazu wurden Personalverantwortliche aus namhaften Unternehmen in Vorarlberg befragt. Die Ergebnisse bestätigen den Fachkräftemangel in allen Betrieben und zeigen zahlreiche und unterschiedliche Maßnahmen auf, wie versucht wird, darauf zu reagieren. Eine Zusammenarbeit mit externen Beratungseinrichtungen findet kaum statt. Dagegen gibt es ein Netzwerk von Unternehmen, welche Maßnahmen und Möglichkeiten der Personalentwicklung gemeinsam diskutieren und sich so gegenseitig unterstützen. Die Perspektive der Arbeitnehmenden wird in dieser Arbeit nicht explizit untersucht. Deren Sichtweisen, Anregungen und Wünsche könnten jedoch ergänzend dazu beitragen, den Arbeitsplatz so zu gestalten, dass ein längerer Verbleib im Betrieb attraktiv und möglich ist.

dvb-Script 1/2022 -Monographie

Effekte von Priming auf die berufliche Selbstwirksamkeitserwartung älterer Arbeitsloser

– Preisgekrönte Arbeit im Rahmen des Josephine-Levy-Rathenau-Preises 2022 –

Marlene Wicker, Institut für Bildungswissenschaften der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

URN: urn:nbn:de:101:1-2022092209120305353070

Aus der Laudatio

Dr. Ingo Blaich, Vorsitzender der Auswahljury zum JLR-Preis

Jeder von Ihnen weiß vielleicht, wie es ist, wenn Ratsuchende oder Freunde an Überzeugungen oder Einstellungen festhalten, die sich eher als handlungshemmend erweisen. Auch Kinder sind häufiger mal davon überzeugt, dass sie etwas nicht können oder nicht mögen, ohne dies versucht bzw. probiert zu haben. Auch in der Beruflichen Orientierung und Beratung erleben wir die hartnäckige Wirkung z. B. von Geschlechterstereotypen, welche das berufliche Aspirationsfeld einengen.

Wie schön wäre es doch, wenn es einen Weg gebe, solche Glaubenssätze oder Überzeugungen ohne langes Einreden quasi auf Knopfdruck ändern zu können – und am besten noch so, dass es der oder die Betroffene nicht merkt. Bevor es hier zu Missverständnissen kommt: in der mit dem Preis bedachten Arbeit wird eine solche Wundertechnik auch nicht beschrieben. Aber sie hat ein Verfahren zum Gegenstand, welches zumindest annäherungsweise so funktioniert und damit das Handlungsrepertoire für Bildungs- und Berufsberater:innen erheblich erweitert.

Die Arbeit mit dem Titel: Effekte von Priming auf die berufliche Selbstwirksamkeitserwartung älterer Arbeitsloser (Universität Heidelberg) widmet sich einer besonderen Zielgruppe, die überdurchschnittlich häufig von längerer Arbeitslosigkeit betroffen ist und dabei auch häufig viele negative Erfahrungen im Such- und Bewerbungsprozess macht. Dies zusammengenommen wirkt sich negativ auf die berufliche Selbstwirksamkeitserwartung und Zuversicht aus, wieder in Beschäftigung zurückzukehren. Somit reduzieren diese Sichtweisen, die Betroffene auf sich selbst und zum Teil auch auf ihre Chancen am Arbeitsmarkt haben, die Wahrscheinlichkeit, wieder eine Beschäftigung aufzunehmen.

Genau an diesem Punkt setzt die Arbeit an. Sie stellt sich die Frage, ob die indirekte Vermittlung positiver Altersstereotype in einem Beratungssetting „…dazu beitragen kann, die berufliche Selbstwirksamkeitserwartung älterer Arbeitnehmer zu erhöhen“ (S.9); und ob dieser Effekt von weiteren Variablen wie z.B. von der Dauer der Arbeitslosigkeit, dem Geschlecht oder dem Bildungsniveau der Arbeitslosen abhängig ist.

Die Annahme, dass sich dieser positive Effekt einstellen könnte, beruht auf dem psychologischen Konzept des Priming. Priming nutzt die Tatsache aus, dass Menschen Reize auf unbewusster Ebene wahrnehmen und darauf mit der Aktivierung bestimmter Gedächtnisinhalte, Stereotype und Emotionen reagieren, was sich dann in ihrem Handeln auswirkt – und wie gesagt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Priming ist dann die Methode, diese Vorstellungsbilder gezielt zu aktivieren, um bestimmte Verhaltensänderungen zu bewirken. Als Reiz können einzelne Wörter, Bilder, Geräusche, Menschen o.ä. gelten. Die Produktwerbung funktioniert vielfach nach diesem Prinzip.

Um dies für die Beratung älterer Arbeitsloser zu überprüfen entwickelte die Verfasserin ein komplexes experimentelles Design, welches im Rahmen von Gruppenberatungen an der Bundesagentur für Arbeit umgesetzt wurde. Sie kann so aufzeigen, dass sich negative Stereotype sehr gut durch unbewusst wahrgenommene Stimuli beeinflussen lassen, mit positiven Auswirkungen auf die beruflichen Selbstwirksamkeitserwartungen und damit auch auf die Wahrscheinlichkeit, als älterer oder Langzeitarbeitsloser wieder in Beschäftigung zurückzukehren.

Die Arbeit belegt die Wirksamkeit einer Interventionsform, welche vor allem die emotionalen Aspekte der Arbeitssuche positiv beeinflussen kann und sie ist in ihrer Wirkung nicht auf ältere Arbeitslose beschränkt, sondern kann leicht auf andere Zielgruppen angepasst werden. Die hohe Praxisrelevanz der Arbeit kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie selbst als Anleitung für die Durchführung dieser Interventionsmethode verwendet werden kann.

Die Jury hat Innovativität des Themas und der Fragestellung sowie die wissenschaftlich-methodisch anspruchsvolle Umsetzung beeindruckt. Ältere Arbeitslose drohen, gesellschaftlich aus dem Blick zu geraten, dem angesichts des Fachkräftemangels in vielen Branchen aber auch, um der Wertschätzung langjähriger Berufsbiografien willen, entgegenzutreten ist. Die Arbeit tritt vehement dafür ein, diese Personengruppe mit ihren Kompetenzen positiv wahrzunehmen und negativen Stereotypen entgegenzuarbeiten. Sie belegt eindringlich, dass auch ältere Personen oder Langzeitarbeitslose noch lern- und entwicklungsfähig sind. Ihnen eröffnet sich mit dieser Methode eine neue Interventionsform im Beratungssetting. Diese Methode kann zudem auch für Beraterinnen und Berater Anlass und Gelegenheit zur Reflexion über Stereotype und unbewussten Einstellungen gegenüber Gruppen von Ratsuchenden sein. Die Arbeit schafft es in den Augen der Jury auf vorbildliche Weise eine hoch relevante Themenstellung wissenschaftlich anspruchsvoll umzusetzen und dies mit einer leichten Übertragbarkeit in die Beratungspraxis zu verknüpfen.

Der Josephine Levy-Rathenau-Preis geht 2022 an Frau Marlene Wicker für ihre Masterarbeit Effekte von Priming auf die berufliche Selbstwirksamkeitserwartung älterer Arbeitsloser. Wir freuen uns sehr, diese Arbeit auszeichnen zu können.

Abstract

Negative Altersstereotype haben direkte Auswirkung auf Verhalten, Leistung und Motivation und verursachen, dass die für berufliches Selbstvertrauen und beruflichen Erfolg verantwortliche berufliche Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) abnimmt (Lawton 1969, S.182). Dies erschwert den Wiedereinstieg in Arbeit für ältere Arbeitslose zwischen 50 und 65 Jahren deutlich (Lawton 1969, S.179ff; Wahl 2017, S.40ff): Die Verweildauer in Arbeitslosigkeit liegt für diese Gruppe deutlich über dem Bundesdurchschnitt und nur etwa 12% aller neu geschaffenen Stellen werden mit Älteren besetzt (Bellmann 2016; Statistik der BA 2019). Ein Grund hierfür können die hinsichtlich ihrer Gültigkeit bereits wissenschaftlich revidierten, aber weiterhin vorherrschenden negativen Stereotype hinsichtlich des Alterns sein. Die in dieser Arbeit durchgeführte Studie gibt Aufschluss darüber, wie die berufliche SWE und die korrelierende Variable der arbeitsmarktorientierten Zuversicht (AM) von älteren Arbeitslosen im Kontext der Beratungen der Bundesagentur für Arbeit (BA), jenseits der bekannten Beratungsformate, erhöht werden kann. Hierzu wird das Beratungssetting einer Gruppenveranstaltung über positive Altersstereotype mit der Methode des Primings manipuliert, um im Kontrollgruppenverfahren feststellen zu können, ob bereits diese Veränderung ausreichen könnte, um die berufliche SWE und die AM der älteren Arbeitslosen zu erhöhen. Darüber hinaus werden Effekte des Primings auf unterschiedliche Altersgruppen, bei unterschiedlicher Dauer der Arbeitslosigkeit, bei den Geschlechtern und bei unterschiedlichem Bildungsstand gemessen.

Die Ergebnisse des Experiments zeigen, dass ein über positive Altersstereotype verändertes Beratungssetting dazu beitragen kann, die berufliche SWE und die AM von allen Arbeitslosen, insbesondere von der Gruppe der älteren Arbeitslosen, zu erhöhen. Priming wirkt zu jedem Stadium der Arbeitslosigkeit, wobei Langzeitarbeitslose noch etwas stärker von der Primingintervention profitieren. Außerdem unterstützt Priming Männer bei der Erhöhung ihrer beruflichen SWE und der AM, während bei Frauen die Primingintervention nur auf die AM, nicht aber auf die berufliche SWE zu wirken scheint. Priming wirkt Bildungsstandunabhängig, wobei Akademiker dennoch etwas stärker auf den Prime reagieren, als Nichtakademiker.

dvb-Script 2/2021

Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung in der Corona-Pandemie
– Forschungsbericht zur Befragung des dvb –

Ingo Blaich, Barbara Knickrehm, Deutscher Verband für Bildungs- und Berufsberatung e. V. (dvb)

URN: urn:nbn:de:101:1-2021102017030510754204

Abstract

Mit einer Zufallsstichprobe von fast 700 Teilnehmenden wurde im Februar/März 2021 eine Befragung zur Situation der Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (BBB-Beratung) während der Covid 19-Pandemie durchgeführt. Die Ergebnisse dokumentieren die Nutzung unterschiedlicher Kommunikationskanäle und digitaler Tools bei verschiedenen Beratungsträgern vor und im Verlaufe der Pandemie. Dabei wurden auch die Vorbehalte der Berater*innen und ihrer Organisationen gegenüber Angeboten der Fernberatung beleuchtet sowie die spezifischen Herausforderungen, die der Einsatz vor allem digitaler Beratungsformate darstellt, insbesondere in Bezug auf Methodik und Beziehungsgestaltung, aber auch den Datenschutz. Hierzu wurden von den Befragten zudem spezifische Weiterbildungsbedarfe formuliert.

Ein weiterer Befragungsgegenstand war die Inanspruchnahme der Beratung während der Pandemie durch verschiedene Zielgruppen. Deutlich wurde, dass manche Ratsuchendengruppen kaum Zugang zu Beratung hatten, sei es aufgrund fehlender eigener digitaler Ausstattung und Kenntnisse (v. a. Menschen mit Migrationsgeschichte, Arbeitslose), sei es aufgrund allgemein fehlender Angebote für diese Gruppen während der Pandemie (v. a. Schüler*innen). Die Akzeptanz digitaler Beratungsangebote differierte gruppenspezifisch stark. Laut Wahrnehmung der Berater*innen veränderten sich auch die Themen der Beratung. Angesichts der Pandemie gab es neue Themen wie alternative Berufswege in krisensicheren Branchen sowie bei jungen Menschen die Suche nach Alternativen zu Praktika und – durch die empfundene Unsicherheit – den Wunsch nach Zuspruch.

In deutlich mehr als der Hälfte der Beratungsstellen wurden im Verlauf der Pandemie dauerhafte, neue (digitale) Beratungsangebote geschaffen. Nur zu einem geringen Teil wurde das infolgedessen zunehmende Arbeitsaufkommen durch die Schaffung neuer Stellen kompensiert. Entsprechend ist bei den einzelnen Beratenden die persönliche Belastung gestiegen. Nach Einschätzung von mehr als zwei Dritteln der Befragten werden die digitalen Veränderungen in der Beratungsarbeit auch nach dem Ende der Pandemie andauern. Die Umfrageteilnehmer*innen formulieren zudem Wünsche an den politischen Raum und an die Fachverbände, die die Rahmenbedingungen einer zeitgemäßen BBB-Beratung stärken sollen.

English Abstract

With a random sample of nearly 700 participants, a survey about educational and vocational guidance was conducted during the Covid 19 pandemic in February/March 2021. The results show the use of different communication channels and digital tools by different guidance providers before and during the pandemic. The survey also sheds light on the reservations of guidance practitioners and their organizations express regarding remote counseling, as well as on the specific challenges that are given by the use of digital counseling formats, particularly in terms of methodology and relationship management, but also of data protection. The respondents also named specific training needs in this regard.

Another subject of the survey was the usage of career guidance during the pandemic by various target groups. It became clear that some groups seeking advice had hardly any access to it, either because they lacked their own digital equipment and knowledge (especially people with a migration background and the unemployed) or because there was a general lack of services for these groups during the pandemic (especially students at schools). The acceptance of digital guidance services varied greatly from group to group. According to the perception of the practitioners, the topics of career guidance and counseling changed as well in the face of the pandemic, there were new issues such as alternative career paths in crisis-proof industries and, among young people, the search for alternatives to internships and, due to the uncertainty, the desire for encouragement. In significantly more than half of the career guidance centers, new (digital) services were created during the pandemic and will be kept on a permanent basis. Only a small part of the resulting increase in workload was compensated for by the creation of new jobs. According to more than two thirds of the respondents, the digital changes in guidance and counseling will continue after the end of the pandemic. The participants in the survey also expressed their wishes for the political arena and professional associations to strengthen the framework conditions for contemporary educational and vocational guidance.

dvb-Script 1/2021 – Monographie

Studierende im Übergang vom Studium in den Beruf begleiten. Das Potenzial von Design Thinking und konstruktivistischer Erwachsenenbildung als Beratungskonzept am Beispiel ,Life & Vision‘.

– Preisgekrönte Arbeit im Rahmen des Josephine-Levy-Rathenau-Preises 2021 –

Marie Dietrich, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

URN:

urn:nbn:de:101:1-2021083115593648491259

Aus der Laudatio

Dr. Ingo Blaich, Jury-Vorsitzender des Josephine- Levy-Rathenau-Preises

Thema der in diesem Jahr ausgezeichnete Arbeit ist die berufliche Orientierung im Hochschulstudium vor dem Übergang in die Erwerbsarbeit. Die Passung der Arbeit zum Thema der diesjährigen Tagung „Berufliche Orientierung oder Career Guidance?“ ist dabei ein glücklicher und willkommener Zufall. Für die Beurteilung der eingereichten Arbeiten spielte dies allerdings keine Rolle. Die Jury hat für die Bewertung ein Punktesystem entwickelt, mit dem die theoretische Fundierung, die Methodik, der Praxisbezug, die Innovativität sowie die Publikationsfähigkeit der einzelnen Arbeiten eingeschätzt wurden.

Die preiswürdige Arbeit mit dem Titel „Studierende im Übergang von Studium in den Beruf begleiten. Das Potenzial von Design Thinking und konstruktivistischer Erwachsenenbildung als Beratungskonzept am Beispiel ‚Life & Vision‘“ adressiert den Übergang vom Studium in den Beruf, genauer die Ausbildung beruflicher Ideen und Zielvorstellungen, was sich, so die aus der Forschung gut belegte Prämisse der Autorin, nicht aus der Vermittlung von Fachwissen und Fachkompetenzen allein ergibt. Eine systematische Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und das Formulieren beruflicher wie privater Ziele ist üblicherweise kein Gegenstand der Studiencurricula. Um hier Unterstützung leisten zu können, haben sich an Hochschulen und Universitäten Beratungsangebote z. B. in Form des Career Service etabliert.

In diesen Kontext ist der Gegenstand der Masterarbeit einzuordnen; ein an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz konzipierter und mehrfach angebotener Workshop mit dem Namen „Life & Vision“, an dessen Entwicklung und Durchführung die Preisträgerin mitgewirkt hat. In ihrer Masterarbeit erläutert sie die theoretische Fundierung des Workshops in der konstruktivistischen Erwachsenenbildung und der Design-Thinking-Methode. Dies fügt sich gut in aktuelle, der Veränderlichkeit von Berufsverläufen Rechnung tragende Theorien der beruflichen Entwicklung – wie Career Construction/Life Designing – ein.

Unter Rückgriff auf Evaluationsergebnisse und eine qualitative Nachbefragung der Workshopteilnehmer:innen liefert die Arbeit im zweiten Teil eine empirisch gesättigte Einschätzung der Effektivität des Workshopformats. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der nachhaltigen Wirkung der Workshopteilnahme auf die „zukünftige berufliche Lebensgestaltung und Bewältigung des Übergangsprozesses vom Studium in den Beruf“.

In den Augen der Jury besticht dieser Teil durch eine gute methodologische Einbettung, gründliche Ausarbeitung der qualitativen Befragung und Auswertung des erhobenen Datenmaterials sowie die kritische Reflexion über die Leistungsfähigkeit aber auch die Grenzen des untersuchten Formats.

Die Arbeit schließt mit sehr ausführlichen und leicht aufzugreifenden Überlegungen, wie dieses Konzept auch für andere berufliche bzw. biografische Übergänge – insbesondere für die berufliche Orientierung von Schülerinnen und Schüler – fruchtbar gemacht werden kann. Da die Anfertigung der Arbeit bis in den Beginn der Corona-Pandemie fiel, enthält sie auch wertvolle Überlegungen zur Entwicklung einer Blended Learning-Variante des Workshops, um ihn als digitale Veranstaltung durchführen zu können.

Die Arbeit unterstreicht die Relevanz von Unterstützungsstrukturen für die berufliche Orientierung an den Hochschulen und weist mit den umfangreichen, abschließenden Erläuterungen zum Transfer des Konzepts auf andere Zielgruppen einen hohen Praxisbezug und starke Relevanz für professionelle Beraterinnen und Berater auf. Damit empfiehlt sie sich auch nachdrücklich für die Publikation in der Reihe dvb-Skript.

Wir freuen uns, diese Arbeit mit dem Josephine Levy-Rathenau-Preis auszeichnen zu können!

Abstract

Veränderungen innerhalb der Gesellschaft, die unter dem Einfluss von Globalisierung, Digitalisierung und Individualisierung stehen, bieten dem Einzelnen und der Einzelnen lebenslang die Möglichkeit, sich selbst immer wieder neu zu orientieren und ihr eigenes Leben zu gestalten. Besonders sichtbar werden diese Gestaltungsprozesse, wenn Menschen vor Übergängen und Lebensabschnitten stehen, und nicht selten kommt es vor, dass genau dies eine Herausforderung für sie darstellt.

Neben zu erbringenden Studienleistungen, ist gerade die Zeit während des Studiums  an viele Entscheidungen geknüpft, die als Grundlage für die spätere berufliche Profilbildung dienen. Nicht selten erleben Studierende aus diesem Grund Schwierigkeiten, wenn sie den Übergangsprozess vom Studium in den Beruf meistern möchten.

Vor diesem Hintergrund wurde von der Verfasserin das lösungs- und subjektorientierte Konzept „Life & Vision“ gemeinsam mit Dr. Petra Bauer und Kim Deutsch entwickelt, welches Studierende dabei unterstützen soll, ihren individuellen Übergangsprozess zu meistern, neue Ideen zu entwickeln und ihre individuelle (berufliche) Zukunft zu entwerfen. Die vorliegende Arbeit soll die Frage beleuchten, wie effizient die Teilnahme an einem Beratungskonzept ist, welches sich an der konstruktivistischen und subjektorientierten Erwachsenenbildung und der Design Thinking-Methode orientiert. Mithilfe des Konzepts konnte überprüft werden, inwieweit die Teilnehmenden bei der beruflichen Profilbildung nachhaltige Unterstützung erhalten haben sowie ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstsicherheit stärken konnten. Ebenso wurde untersucht, welche Bedeutung professioneller pädagogischer Arbeit im Kontext der Beratung an biographischen Schnittstellen beigemessen werden kann. Darüber hinaus werden erste Ideen skizziert, das Beratungskonzept auch auf andere Zielgruppen auszuweiten und hierfür inhaltlich sowie didaktisch anzupassen. Außerdem wurden die Grenzen des Konzepts diskutiert.

Anhand von Interviews, die mit den Absolvent*innen der Workshops geführt worden sind, konnten qualitative Daten erhoben werden, die anschließend interpretiert und analysiert wurden, um das Beratungskonzept zu evaluieren und als Bestandteil des Studienverlaufs zu legitimieren. Zusätzlich wurden quantitative Ergebnisse aus den externen Evaluationen des Workshops zur Betrachtung hinzugezogen. Zu den zentralen Ergebnissen zählt, dass die biographische Arbeit mit den Studierenden neue berufliche Möglichkeitsräume eröffnete und die individuellen Entwicklungsprozesse positiv begünstigte. Folglich traten Teilnehmende weniger verunsichert und überfordert, sondern im Selbstbewusstsein gestärkter und selbstsicherer an die berufliche Zukunftsgestaltung heran.

dvb-Script 2/2020 – Monographie

Diskontinuitäten und Krisen im (Erwerbs-)Lebenslauf von Beratungsfachkräften als Einfluss auf die Beratungshaltung und -kommunikation in der beschäftigungsorientierten Beratung erwachsener Ratsuchender

Isabelle Hillenberg, Hochschule der Bundesagentur für Arbeit

URN: urn:nbn:de:101:1-2021020819344735620701

Abstract

Innerhalb der beschäftigungsorientierten Beratung bilden Erwerbslebensläufe ratsuchender Personen die Basis der auszuhandelnden Ziele zur Integration in Arbeit. Da Erwerbslebensläufe und Lebensverläufe fortlaufend miteinander verknüpft sind, werden Berater*innen unmittelbar mit den individuellen Lebenssituationen der Ratsuchenden konfrontiert. Zur Einschätzung bzw. Beurteilung des Gegenübers agieren die Beratungsfachkräfte unter Zuhilfenahme ihres persönlichen alltagsweltlichen Lebensverständnisses, welches in ihren persönlichen Lebens- und Berufserfahrungen begründet ist und somit Beratungshaltung und -kommunikation beeinflusst. Eine Professionalisierung dieser „Alltagspädagogik“ wird nötig, wenn das Beratungsergebnis aufgrund subjektiver Beurteilungskriterien der Beratungsfachkräfte für Ratsuchende nachteilig ausfällt. Hierbei spielen Einflüsse auf die Beratungshaltung und -kommunikation eine Rolle, welche aufgrund prägender Ereignisse und Erlebnisse im (Erwerbs-)Lebenslauf der Beratungsfachkräfte ihren Ursprung finden.
Im theoretischen Teil dieser Arbeit werden Diskontinuitäten und Krisen als prägende Ereignisse im Lebensverlauf sowie Einflüsse auf die Beratungshaltung und -kommunikation aus dem psychoanalytischen Forschungsbereich vorgestellt. Die nötige Betrachtung psychoanalytisch definierter Einflussfaktoren (Übertragung, Gegenübertragung, Projektion, Empathie) innerhalb der beschäftigungsorientierten Beratung wird hierbei im Hinblick auf den Professionalisierungsgedanken der erwähnten Alltagstheorien relevant.
Die qualitativ erhobenen Untersuchungsergebnisse dieser Arbeit bilden die genannten Einflussfaktoren im Beratungsgeschehen ab und veranschaulichen deren Auswirkungen auf die empathischen Kompetenzen der Beratungsfachkräfte. Echtes empathisches Handeln tritt hierbei als zu fördernde Schlüsselkompetenz hervor, die eine Professionalisierung alltagspädagogischer Kompetenzen ermöglicht.

dvb-Script 1/2020 – Monographie

Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen von Beratenden in Bildung, Beruf und Beschäftigung in Deutschland – Relevanz und Weiterbildungsbedarf

Carolin Kleeberg, Universität Leipzig

URN: urn:nbn:de:101:1-2021020819273955830119

Abstract

Themen wie Digitalisierung, Migration und Flucht, Wertewandel, Globalisierung oder demografischer Wandel machen Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung immer komplexer und mit ihnen steigen auch die Anforderungen an die Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen der Beratenden. Wie ist es also um die Bewältigung dieser Herausforderungen aus Beratendensicht bestellt? Diese Arbeit stellt Ergebnisse einer deutschlandweiten Online-Befragung von Beratenden des Feldes vor und untersucht mit Fokus auf die Selbsteinschätzung zu empfohlenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen für professionelle Beratung, die Handlungssicherheit der Beratenden. Die Ergebnisse können Anhaltspunkte für die bedarfsgerechte (Weiter-)Entwicklung beratungsspezifischer Weiterbildungsangebote.

dvb-Script 2/2019

Wirksamkeit der Berufs- und Bildungsberatung zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen

Peter Weber, Rebeca Garcia-Murias, Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA)

URN: urn:nbn:de:101:1-2021020819082391040624

Abstract

Berufs- und Bildungsberatung greift heute auf eine vielschichtige Theoriebasis zurück und reflektiert Praxiserfahrungen umfangreich. Die begleitende Wirkungsforschung ist dabei nicht in gleichem Maße Grundlage für die Bildungs- und Berufsberatung. Wertet man die Publika­tionen im Feld der Beratung aus, so zeigt sich, dass nur ein kleiner Teil der aktuellen Forschung der empirischen Wirkungsforschung zuzurechnen ist.
Das Projekt Keyway zielt darauf ab, Beratende und Beratungsanbieter in die Lage zu versetzen, ihre Beratungsangebote auf der Basis fundierter Indikatoren und in Bezug auf deren Wirkung zu erfassen und zu evaluieren.

Der vorliegende Beitrag gliedert sich in drei Teile. Im ersten Abschnitt werden knapp einige Grundannahmen und Grundbegriffe zur Wirkungs­­evaluation vorgestellt. Der zweite Abschnitt stellt das „Keyway Indikatoren­modell“ vor und regt den/die Leser*in dazu an, die eigenen Wirkungsannahmen der Beratung in Bezug zu solchen Messgrößen zu bringen. Der dritte Abschnitt formuliert ein Beispiel zur Wirkungserfassung der Beratung von abbruch­gefährdeten Jugendlichen in der dualen Ausbildung. Hierfür werden exem­plarische Indi­ka­toren beschrieben, um die Anwend­barkeit des Modells zu illustrieren. Der Ausblick formuliert eine Einladung, die Projekt­ergebnisse zu nutzen und mit den Projekt­partnern in Kontakt zu treten.

dvb-Script 1/2019

Authentische Berufsorientierung – Jenseits von „Career Management Skills“

Ronald G. Sultana, Universität Malta

URN deutsch: urn:nbn:de:101:1-2021020818514797622380

URN engl.: urn:nbn:de:101:1-2021020818574042262751

Abstract

Dieses Papier befasst sich mit der schulischen Berufsvorbereitung und untersucht, wie diese so konzipiert werden kann, dass sie zum Gedei­hen und Wohlbefinden der Schüler*innen in einer Demokratie beiträgt. Zunächst bietet es einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen im Bereich „Career Learning“ weltweit und weist auf die zunehmende Bedeutung hin, die diesen als Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbs­fähigkeit in wissensbasierten Volkswirt­schaften beigemessen wird. Der Beitrag ver­deutlicht, warum eine zentrale Rolle der Arbeit im Lehr­plan gerechtfertigt ist: Trotz bedeu­tender gesellschaftlicher und technologischer Verän­derungen, die eine „Post-Arbeits­gesell­schaft“ vorhersagen, behält „sinnvolle Arbeit” ihre Bedeutung als Quelle der Erfüllung und des Wohlbefindens sowie als Kennzeichen für ein gelingendes Leben.

Ein Großteil der in neoliberalen Volks­wirt­schaften verfügbaren Arbeit ist jedoch zuneh­mend die Ursache von Leiden, Not, Aus­beutung und Missbrauch. Es werden Argu­mente für eine glaubwürdige Berufsorientie­rung vorgebracht, die den Schüler*innen hilft, das Wesen sinnvoller Arbeit zu verstehen, danach zu streben und die Ursachen zu entschlüsseln, die den Zugang zu dieser Arbeit behindern. Es wird dargelegt, dass glaubwürdige Berufs­vor­bereitung – wie alle aufklärerischen Unterneh­mungen – die intellek­tuellen Werkzeuge zur Verfügung stellen und zu moralischer Ent­schlossenheit ermutigen sollte, sich sozial gerechtere und erfüllendere Formen des Zusammenlebens vorzustellen und ein Maß an individueller und kollektiver Kontrolle über die Kräfte zu erlangen, die das Leben formen.

Manuskriptvorschläge für eine Veröffentlichung als dvb-Script senden Sie bitte zur Begutachtung an die Fachgruppe Forschungsforum:

Die Veröffentlichungen werden in der Deutschen Nationalbibliothek gelistet und archiviert.